BOD Aktuell

Das Magazin von BoD

Ausgabe 33



Wie eine Südafrikanerin Deutschland sieht

Anli Serfontein hält uns lächelnd den Spiegel vor

Interview Herbst 2008

Fettnäpfe gibt es en masse für Fremde in Deutschland. Anli Serfontein, die 1995 von Südafrika nach Trier kam, weiß das nur zu gut. Dass ein Reste-Essen“ nach einer Kommunion eine hochoffizielle Angelegenheit ist, ging ihr erst auf, als sie in jämmerlichen Jeans neben festlich gekleideten Menschen stand. Und dass die weißen Kerzen in roter Plastikhülle auf keinen Fall einen Adventskranz zieren dürfen, wurde ihr erst klar, als ihr Mann entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlug. „Wir waren wir die einzige Familie in ganz Deutschland mit einem rugby-ball-förmigen Adventskranz mit vier Grabkerzen drauf“, bemerkt die BBC-Producerin und Mutter von zwei Kindern mit trockenem Humor.

Ihr Buch ist das einzige in der Edition BoD, das nicht auf deutsch erschienen ist. Doch Vito von Eichborn versichert: „Ihr Englisch ist zwar durchaus literarisch, aber so einfach, dass gehobenes Schulenglisch genügt, um es fließend zu lesen.“ Anli Serfontein hat – typisch Journalistin! – eine flotte authentische Schreibe und unterteilt ihr Buch in gut verdauliche kleine Portionen. Sie nimmt die deutsche Mülltrennung aufs Korn, die Bürokratie, den Dorfklatsch. Sie beschreibt die landschaftliche Schönheit, den Umgang der deutschen Polizei mit Hooligans und ihre Begegnung mit dem holländischen Ultrarechten Pim Fortuyn. Alltag, Politik, Geschichte – auch besonders heikle Themen, wie etwa den Nationalsozialismus, spart sie nicht aus.

Mit dem Schreiben begonnen hat sie, als das Ausländeramt ihr nichts als Schwierigkeiten machte. „Da habe ich mir den Ärger von der Seele geschrieben“, sagt sie, „und überhaupt nicht an Veröffentlichung gedacht.“ Zehn Jahre später erst hat sie das Material überarbeitet, neu formuliert und geordnet – und was dabei herauskam, ist ein liebevoll-kritisches, humorvoll-ironisches, ehrliches und verblüffend wahres Buch über Deutschland und die Deutschen. Und über den Umgang mit kulturellen Unterschieden: Für Deutsche etwa ist Weihnachten heilig und sehr ernst. Und Arbeit ist eine Plage; doch seltsamerweise plagt man sich ständig – mit muskelkater-trächtigem Wandern und mit unermüdlichem Putzen. In Bayern, so schreibt Anli Serfontein, hat sie immer das Gefühl, sich hinzusetzen sei eine Sünde. „Die einzige Ausnahme ist der Biergarten, dort ist das Sitzen selbstverständlich erlaubt.“ Mit ihren Augen auf deutsche Eigenheiten zu blicken, ist herzerfrischend. Und weil ihr Staunen so persönlich, ehrlich und verbindlich ist, kann man plötzlich über sich selbst und die eigenen Landsleute schmunzeln.

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